Vernetzt in die Zukunft

Telematik und autonomes Fahren revolutionieren die Straßenverkehrslogistik. Wie ist der Stand der Technik, und wie geht die Entwicklung weiter? Ein Überblick.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Datensammeln per Smart Tacho ist zu Dokumentationszwecken gesetzlich vorgeschrieben
  • In den Daten steckt aber echtes Potenzial: Davon profitieren unter anderem Serviceplanung, Routenplanung und Diebstahlschutz
  • In Zukunft wird das autonome Fahren den Straßengüterverkehr prägen: Effizienz und Nachhaltigkeit profitieren

Aus dem Alltag sind digitale Helfer nicht mehr wegzudenken: Wir tracken unsere Fitness mit Smartwatches, vertrauen unsere Finanzen einem Robo-Advisor an und überlassen einen Teil der Hausarbeit Saugrobotern, die sich selbständig ihren Weg um Möbel und Haustiere suchen. Auch die Arbeit von Fahrern und Fuhrparkmanagern hat sich durch die Digitalisierung in den letzten Jahren entscheidend verändert – und wird sich in Zukunft noch weiter wandeln. Die beiden derzeit wichtigsten Handlungsfelder bei der Digitalisierung der Straßenverkehrslogistik sind Telematik – also der elektronische Datenaustausch zwischen Fahrzeug, Fahrer und Speditionsunternehmen – und Fahrassistenzsysteme, deren maximale Ausbaustufe ein fahrerloser, autonom betriebener Lkw ist. So ließe sich das inzwischen in Europa allgegenwärtige Problem des Fahrermangels lösen. Wie weit ist die Digitalisierung der Branche inzwischen vorangeschritten, mit welchen Entwicklungen ist kurz- bis mittelfristig zu rechnen?

Daten sammeln ist Vorschrift

Natürlich ist eine vielschichtige Datensammlung am und im Fahrzeug Grundvoraussetzung für sämtliche Anwendungen der Telematik. Das Sammeln von Daten ist in Teilen sogar bereits gesetzlich vorgeschrieben. Seit dem 15. Juni 2019 ist für alle neu zugelassenen Nutzfahrzeuge ab 3,5 Tonnen ein intelligenter Fahrtenschreiber, der sogenannte Smart Tacho, verpflichtend. Mit der zweiten Generation der Geräte lassen sich auch die EU-Sozialvorschriften, etwa zu Kabotagefahrten und Fahrerentsendungen, dokumentieren. Der Einbau der zweiten Fahrtenschreibergeneration ist seit dem 21. August 2023 Pflicht. „Die rechtlich vorgeschriebene Dokumentation der Fahrten ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist die Frage, was sich mit den gesammelten Daten sonst noch anfangen lässt. Und da wird es interessant“, sagt Daniel Koch, Leiter Connected und Contracted Services bei Scania. „Telematiksysteme zur Datenauswertung unterstützen inzwischen bei der Streckenplanung, sie helfen, Serviceintervalle einzuhalten und geben Fahrern Tipps für einen optimalen Fahrstil.“

Was kann Telematik?

Eine Möglichkeit, die vom Smart Tacho gesammelten Daten einzusetzen, ist die Echtzeitverfolgung per GPS: Sie kann beispielsweise Alarm geben, wenn sich Unbefugte am Fahrzeugtank zu schaffen machen.

Die Serviceplanung wird durch ein Telematik System besonders effizient. Erfasste Daten wie Betriebsstunden, Motorlaufzeiten und Serviceaufzeichnungen helfen so bei der Planung anstehender Wartungsmaßnahmen. Dadurch, dass in modernen Fahrzeugen ohnehin eine Vielzahl an Sensoren verbaut ist, lässt sich der gesamte Fahrzeugzustand einschließlich Motordiagnose auf einen Blick erfassen. Der Zustand der Einlassventile, die Batteriespannung, der Füllstand von Betriebsmitteln oder der Zustand der Bremsen lassen sich mühelos abrufen. Das ist auch die Grundvoraussetzung für die vorausschauende Wartung, bei der eine Software auf Basis der Echtzeitdaten meldet, wann ein proaktiver Austausch einer Komponente erfolgen sollte, um unnötige Ausfallzeiten zu vermeiden.

Weiterhin profitiert die Routenverfolgung von der Vielzahl an Daten, die vom Lkw erfasst werden und zur Verfügung stehen. Fuhrparkmanager behalten dank GPS und Bordsystemen nicht nur den Überblick, wo sich ihre Fahrzeuge gerade befinden, sondern können dank künstlicher Intelligenz (KI) besser vorausschauend planen, insbesondere bei batteriebetriebenen Fahrzeugen. Dafür fließen neben Live-Informationen zur Verkehrsdichte auch historische Daten in die Berechnungen ein, um tageszeitgenau die beste Route zu ermitteln. Somit können potenzielle Staugebiete mit einer hohen Verkehrsdichte frühzeitig umfahren werden.

Nicht zuletzt können Telematik Systeme auch einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit im Straßengüterverkehr leisten. Sie überwachen die Geschwindigkeit und den Standort von Lkw, erkennen, wenn der Fahrstil zu erhöhtem Verschleiß oder Mehrverbrauch führt, und können in Extremfällen die jeweilige Firmenzentrale über besonders auffälliges Fehlverhalten informieren.

Im Sinne eines gemeinsamen Lernens lassen sich die Aufzeichnungen aber vor allem nutzen, um gezielte Schulungen zu umweltschonenden Fahrweisen anzubieten und ein kraftstoffsparendes, materialschonendes Verhalten zu fördern.

Zukunftsaussichten: Autonomes Fahren

Bei aller Telematik, am Steuer sitzt immer noch der Mensch, mit all seinem Können und all seinen Fehlern. Inzwischen existieren eine ganze Reihe von Fahrassistenzsystemen, die Unfälle verhindern und die Fahrer unterstützen sollen. Ein Lkw, in dem sämtliche verfügbaren Systeme eingebaut sind, ist am Ende dazu in der Lage, ohne Fahrer vollkommen autonom an sein Ziel zu gelangen. Zukunftsmusik? Keineswegs, erste Straßentests laufen bereits. Dabei könnte der autonom fahrende Lkw von morgen die Lösung für den anhaltenden Fahrermangel sein. Allein in Deutschland lassen sich aktuell etwa 100.000 Stellen nicht besetzen.

Die technische Entwicklung der vergangenen Jahre war rasant. Allein schon die Leistungsfähigkeit der Sensoren, die den autonomen Lkw Daten zu ihrer Umgebung liefern, wird immer größer. Laserbasiertes Lidar und Mikrowellen-Radargeräte machen die Messung von Geschwindigkeiten und Entfernungen im Nah- und Fernbereich möglich. Hochauflösende Kameras erfassen Fahrbahnmarkierungen, Verkehrszeichen und andere Verkehrsteilnehmer. Der Zentralrechner des Fahrzeugs setzt die Datenströme zu einem Echtzeit-Gesamtbild zusammen, das alle nötigen Informationen zur Steuerung enthält.

Testfall Autobahn

Die Erprobung läuft: Aktuell testet Scania in Zusammenarbeit mit HAVI Supply Chain im Rahmen eines Pilotprojekts den Einsatz autonomer Lkw zwischen den schwedischen Städten Södertälje und Jönköping. Der Hauptteil der Strecke zwischen den rund 300 Kilometer voneinander entfernten Fracht-Knotenpunkten wird vollständig automatisiert abgewickelt. Auf der ersten und der letzten Meile übernimmt jeweils ein menschlicher Fahrer. Grund für diese Unterscheidung: Im Vergleich zum unübersichtlichen Stadtverkehr lässt sich das Geschehen auf den Autobahnen einfacher verarbeiten und automatisieren. Zudem treten überraschende und kritische Situationen, die den autonomen Systemen erst beigebracht werden müssen, abseits der großen Fernstraßen häufiger auf.

Auch von politischer Seite wird autonomes Fahren inzwischen als Zukunftsthema wahrgenommen und begrüßt. So sagte der bayerische Staatsminister für Verkehr, Christian Bernreiter, bei der Verabschiedung der Autonome-Fahrzeuge-Genehmigungs-und-Betriebs-Verordnung (AFGBV) im Bundesrat: „Mit fahrerlosen Hub-to-Hub-Verkehren ergeben sich völlig neue Konzepte für die Verteilung von Waren, und wir wirken dem bestehenden Mangel an Lkw-Fahrerinnen und Fahrern entgegen.“[1]

Beitrag zur Nachhaltigkeit

Gerade die Assistenzsysteme dienen nicht nur der Sicherheit, sondern können auch den CO2-Fußabdruck verringern. Zu nennen ist hier das sogenannte Platooning, eine Art „Extremversion“ des Kolonnenfahrens, das ohne die moderne Digitaltechnik überhaupt nicht möglich wäre. Erste Tests dazu unter Realbedingungen liefen bereits 2019. Durch Platooning lassen sich Abstände zwischen den Lkw von 15 bis 21 Metern realisieren. Dieses Fahren im Windschatten des Vorausfahrenden spart bis zu zehn Prozent Treibstoff beziehungsweise Strom. Zudem nimmt der Konvoi weniger Platz in Anspruch und verringert durch seine koordinierte Fahrweise die Stauwahrscheinlichkeit. Die durchschnittliche Geschwindigkeit des Verkehrs könnte so im Idealfall um bis zu 35 Prozent steigen.

[1] https://dserver.bundestag.de/brp/1021.pdf#P.196 S. 198

Straßenverkehrslogistik wird erheblich effizienter

Schon jetzt steht fest: Die weitere Entwicklung von Telematik und autonomem Fahren wird die Logistik in den kommenden Jahren entscheidend prägen. „Datenbasierte Analysen sparen jetzt schon viel Zeit und Geld. Von der kraftstoff- und materialschonenden Fahrweise profitiert zudem die Umwelt. Für Unternehmen lohnt sich die Nutzung digitaler Systeme grundsätzlich immer, denn die Effizienzgewinne übertreffen die notwendigen Investitionen in kürzester Zeit“, so Daniel Koch. „Gleichzeitig wird immer klarer, dass autonom fahrende Lkw absehbar zum Alltag gehören. In den nächsten Jahren werden wir erleben, dass ganze Strecken autonom bedient werden. Für die Branche ist das eine riesige Entlastung angesichts des konstant steigenden Güteraufkommens bei gleichzeitigem Personalmangel. Bei Scania arbeiten wir jeden Tag daran, den effizienten, umweltschonenden Lkw-Verkehr der Zukunft zu gestalten.“

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